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VwGH - 27.06.2016 - Ra 2016/18/0055
Thema / LandVerfahrensrecht
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"12  Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der  Verwaltungsgerichte  gemäß  § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den  §§ 58  und 60 AVG  entwickelt  wurden.  Nach  der  Rechtsprechung  des  Verwaltungsgerichtshofes  erfordert dies  in  einem  ersten  Schritt  die  eindeutige,  eine  Rechtsverfolgung  durch  die  Partei  ermöglichende  und  einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. [...]

13        Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis gegen die ihm obliegende Begründungspflicht verstoßen:

Der  Revisionswerber  hat  im  Verfahren  eine  ausführliche  Beschwerde,  mehrere  umfassende  Stellungnahmen sowie  Vorbringen  in  der  mündlichen  Verhandlung  erstattet.  Er  ist  dem verwaltungsbehördlichen  Bescheid insgesamt konkret und unter Aufbietung neuer für den Verfahrensausgang relevanter Beweismittel in Form von Berichten entgegengetreten. Auch das BVwG selbst hat eine Anfrage an ACCORD zu Zwangsrekrutierungen in Darfur  [...] und zum Militärdienst gestellt.

Das angefochtene Erkenntnis lässt jedoch  - sowohl im  Hinblick auf den Status des Asylberechtigten als auch jenen  des  subsidiär  Schutzberechtigten -  fallbezogen  relevante  Feststellungen  sowie  die  gebotene Auseinandersetzung mit wesentlichen Teilen des Vorbringens bzw. der Ermittlungsergebnisse vermissen. Unter anderem trifft das BVwG etwa bloß allgemein gehaltene Feststellungen zum Sudan, die weder Informationen zur Volksgruppe der Al Bardi, noch zu Zwangsrekrutierungen oder zum Militärdienst enthalten. Im Hinblick auf den subsidiären  Schutz  fehlt  auch  eine  über  bloße  Textbausteine  hinausgehende  Auseinandersetzung  mit  den getroffenen  Länderfeststellungen.  Folglich  entzieht  sich  die  rechtliche  Beurteilung  einer  nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes.

14        In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass der Verwaltungsgerichtshof auch nicht nachvollziehen kann, weshalb das BVwG bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zum Teil erkennbar auf den Geburtsort des Revisionswerbers in Darfur abstellte, obwohl der Revisionswerber laut Verfahrensakten selbst vorgebracht hat, vor seiner Ausreise mehrere Jahre in der Hauptstadt Khartum gelebt, dort studiert und gearbeitet zu haben und seit dem Jahr 2001 nicht mehr in Darfur gewesen zu sein. Dass es sich dabei lediglich um einen vorübergehenden Aufenthalt aufgrund interner Vertreibung gehandelt hätte, lässt sich diesem Vorbringen nicht entnehmen [...].

15        Das  BVwG  wird  daher  im  fortgesetzten  Verfahren  - ausgehend  von  konkreten  Feststellungen  zum maßgebenden  Sachverhalt  und  nach  Würdigung  des  individuellen  Vorbringens  und  der  weiteren Ermittlungsergebnisse -  zu  beurteilen  haben,  ob  dem  Revisionswerber  in  Khartum  mit  maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung oder, ob ihm eine Gefahr, welche die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erfordern würde, droht."