VwGH - 11.06.2013 - 2013/21/0011 | |
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Thema / Land | |
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"Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer während des beim Bundesasylamt anhängigen Asylverfahrens die Abgabestelle änderte, eine (geänderte) Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG dem Bundesasylamt aber nicht mitteilte. Die Folgen der Unterlassung dieser Mitteilungspflicht regelt Abs. 2 des § 8 ZustG. Die Behörde ist demnach erst dann berechtigt, eine Hinterlegung (ohne vorausgehenden Zustellversuch) zu verfügen, falls eine Abgabestelle der Partei nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Hinterlegung hat die Wirkung einer (rechtmäßigen) Zustellung nur dann, wenn der Behörde keine andere Abgabestelle bekannt ist und sie vor Anordnung dieser besonderen Zustellung eine geänderte oder andere (vorher unbekannte) Abgabestelle der Partei nicht "ohne Schwierigkeiten" feststellen kann.
Hier kam die belangte Behörde zu der Beurteilung, die verfügte Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG sei rechtmäßig, weil sie ausschließlich auf die Kenntnis der mit dem Asylantrag des Beschwerdeführers befassten Außenstelle des Bundesasylamtes abstellte. Dabei hat die belangte Behörde jedoch übersehen, dass das gemäß § 58 Abs. 1 AsylG 2005 als Asylbehörde erster Instanz eingerichtete Bundesasylamt nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung auch zuständige Behörde für den Informationsaustausch mit jenen Staaten ist, mit denen die Dublin-II-Verordnung oder ein Vertrag über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz anwendbar ist.
Zufolge § 58 Abs. 1 AsylG 2005 ist das Bundesasylamt eine monokratische Bundesbehörde mit dem Sitz in Wien. Die Einrichtung von Außenstellen (§ 58 Abs. 4 leg. cit.) bzw. einer mit Fragen des genannten Informationsaustausches befassten Abteilung stellt eine innere Gliederung der Behörde dar, die daran aber nichts ändert, dass das Bundesasylamt nach außen eine einheitliche Behörde ist und ihre Dienststellen die der Behörde zukommenden Aufgaben im Rahmen des monokratischen Systems besorgen.
Die vom Beschwerdeführer (im Einklang mit der Aktenlage) geltend gemachte Zustimmung und Kenntnis der "Dublin-Abteilung" des Bundesasylamtes zu bzw. von seiner Rückübernahme aus Frankreich (nach dem Beschwerdevorbringen bereits am 16. August 2012) war somit dem Bundesasylamt insgesamt zuzurechnen und von ihm zu berücksichtigen.
Davon ausgehend war dem Bundesasylamt spätestens am 17. August 2012 bekannt, dass sich der Beschwerdeführer in Frankreich aufhielt. Das Bundesasylamt hätte demnach durch Anfrage bei den französischen Behörden die Abgabestelle des Beschwerdeführers in diesem Staat feststellen können und müssen. Dass eine derartige Anfrage mit "Schwierigkeiten" verbunden gewesen wäre, oder die französischen Behörden eine Auskunft über den Aufenthalt des Beschwerdeführers abgelehnt hätten, ist nicht erkennbar.
Die Beurteilung der belangten Behörde, der erwähnte Bescheid vom 17. August 2012 sei durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG wirksam zugestellt worden, erweist sich daher als rechtswidrig (siehe zum Ganzen das zum insoweit vergleichbaren Asylgesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2004/01/0373).
Davon ausgehend ist das Verfahren über den am 23. Juni 2012 gestellten (ersten) Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz noch (unerledigt) anhängig. Der Beschwerdeführer, dessen "Folgeanträge" nur als ergänzendes Vorbringen im ersten Asylverfahren verstanden werden konnten, verfügte weiterhin über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005. Sein darauf aufbauender Einwand, die (soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung jeweils die Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisung voraussetzenden) Tatbestände des § 76 Abs. 2 Z 1 und 3 FPG seien nicht verwirklicht, erweist sich somit schon von daher als berechtigt (siehe zu ähnlichen Konstellationen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2013, Zl. 2011/21/0244, mwN)."