HomeErwirkte Rechtsprechung → Pflicht des Rechtsberaters zur Teilnahme an mündlicher Verhandlung vor dem BVwG

VwGH - 03.05.2016 - Ro 2016/18/0001
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„3 Mit Schreiben vom 6. Juli 2015 setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Revisionswerber von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung am 17. August 2015 in Kenntnis und forderte ihn zum persönlichen Erscheinen bei der Verhandlung auf. Am 13. Juli 2015 erhielt der Revisionswerber vom BVwG die zusätzliche Information, dass ihm die Teilnahme seines Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung freistehe und er sich - falls er dessen Teilnahme wünsche - umgehend mit diesem in Verbindung setzen solle. Der Rechtsberater sei darüber nachrichtlich verständigt worden.

4 Am 17. August 2015 fand vor dem BVwG in Anwesenheit des Revisionswerbers eine mündliche Verhandlung statt, an der kein Rechtsberater teilnahm. Im Rahmen des Beweisverfahrens wurde der Revisionswerber insbesondere zu seinen Fluchtgründen und zu seinem Gesundheitszustand einvernommen. Am Ende des Beweisverfahrens gab der Revisionswerber - zusammengefasst - an, vom beigegebenen Rechtsberater nicht ausreichend unterstützt worden zu sein.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 als unbegründet ab. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das BFA zurückverwiesen. Die ordentliche Revision ließ das BVwG zu.

6 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - aus, was die Abwesenheit des Rechtsberaters in der mündlichen Verhandlung trotz ausdrücklichen Ersuchens des Revisionswerbers anbelange, erachte das BVwG dieses Vorbringen zwar als glaubwürdig, es könne im Versäumnis der Rechtsberatung aber kein schwerer Verfahrensmangel erkannt werden. (...)

(…)

8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass die Auslegung des § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer trotz entsprechenden Ersuchens eines Beschwerdeführers unbegründeten Nichtteilnahme des Rechtsberaters an einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in Verfahren über den internationalen Schutz unklar sei. Insbesondere sei nicht auszuschließen, dass dieser Verstoß auf das Verfahren vor dem BVwG rechtlich Einfluss nehmen könnte. Diesbezüglich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

(...)

III. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

(...)

15 Nach § 52 BFA-VG in der gegenständlich anzuwendenden Fassung ist dem Asylwerber (u.a.) bei einer abweisenden Entscheidung des BFA über seinen Antrag auf internationalen Schutz amtswegig ein Rechtsberater zur Seite zu stellen, der ihn bei der Einbringung einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren unterstützt und berät, und der nach § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG in Verfahren über internationalen Schutz auf Ersuchen des Asylwerbers an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen hat.

16 Unionsrechtlicher Hintergrund dieser Norm ist Art. 20 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten im Rechtsmittelverfahren sicherzustellen haben, dass einem Asylwerber auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird, welche zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers umfasst.

     17 Die Unterstützung von Asylwerbern im Rechtsmittelverfahren durch einen (unentgeltlichen) Rechtsberater, der auf ihr Ersuchen auch an der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht teilzunehmen hat, ist somit einfachgesetzlich [§52 BFA-VG; tlw. aufgehoben mit Erkenntnis des VfGH vom 09.03.2016; G447-449/2015-13] und unionsrechtlich [Art. 20 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie] vorgesehen. (…) Die gesetzlichen Vorschriften, die eine Unterstützung des Asylwerbers durch den Rechtsberater im Beschwerdeverfahren vorsehen, sind daher ein wichtiger Teil des effektiven Rechtsschutzes, der nach Art. 47 GRC auch im Asylverfahren gewahrt werden muss.

     18 Nach § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG ist die Teilnahme des Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auf Ersuchen des Fremden verpflichtend vorgesehen. Soweit der Asylwerber daher ein entsprechendes Ersuchen äußert, liegt es nicht im Belieben des Rechtsberaters, die Teilnahme an der Verhandlung abzulehnen; dem Ersuchen des Asylwerbers ist vielmehr nachzukommen, weil die (unterstützende) Teilnahme des Rechtsberaters in diesem Fall gesetzlich geboten ist. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung ließe sich unter Bedachtnahme auf den damit verfolgten Zweck nur dann rechtfertigen, wenn sichergestellt ist, dass der Asylwerber in der Verhandlung ohnedies (etwa durch einen frei gewählten Rechtsanwalt) rechtlich vertreten ist. (…)

     19 Aufgrund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip einerseits und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften andererseits resultierenden Verfahrensgarantien ist es - entgegen der Rechtsansicht des BVwG - auch Sache des Verwaltungsgerichtes dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann (vgl. in diesem Sinne bereits VfGH vom 21. September 2011, U 860/11, VfSlg. 19.490/2011). Zu diesem Zweck hat es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Asylwerber - nach den Feststellungen des BVwG - das Ersuchen um Teilnahme an den Rechtsberater vor der Verhandlung gestellt hatte, diesem aber vom Rechtsberater unentschuldigt nicht entsprochen worden ist, von der Möglichkeit des § 19 Abs. 1 AVG, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 17 VwGVG sinngemäß anzuwenden ist, Gebrauch zu machen und das nötige Erscheinen des Rechtsberaters durch förmliche Ladung zu bewirken.“

20 Indem das BVwG eine solche Vorgangsweise unterließ und das Verfahren zu einem Abschluss brachte, ohne dem Revisionswerber die gesetzlich vorgesehene Unterstützung durch den Rechtsberater einzuräumen, belastete es das Beschwerdeverfahren mit einem Verfahrensmangel."

(...)