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AsylGH - 28.10.2008 - E1 255253-0/2008
Thema / LandAsylrecht, soziale Gruppe, Iran
BeschreibungExilpolitische Tätigkeit von Mutter und Sohn; soziale Gruppe der Familie; eigene politische Verfolgungsgründe; Asyl
 

Der Asylgerichtshof hat  […] über die Beschwerde des [...], StA Iran […] zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und [...] gemäß § 7 AsylG […] der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 12 AsylG 1997 […] wird festgestellt, dass […] Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Entscheidungsgründe:

 

   I. Verfahrensgang

 

[…] Der vom Beschwerdeführer, am 12.09.2003 gestellte Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.10.2004 […] abgewiesen.

 

[…] Dagegen richtet sich die […] Berufung.

 

   II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

[…] Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und am [...] in A. im Iran geboren. Die Eltern des Beschwerdeführers haben sich im Iran aktiv politisch betätigt. Der Vater des Beschwerdeführers war Mitglied einer kommunistischen Partei im Iran und ist seit ca. 11 Jahren verschwunden […]. Die Mutter des Beschwerdeführers ist nach dem Verschwinden ihres Ehemannes und Vater des Beschwerdeführers aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet und ist dort aktiv exilpolitisch tätig. […] Die Mutter des Beschwerdeführers ist aktuell in […] der Sozialistischen Partei Iran (SPI) in Deutschland tätig. Bei der SPI handelt es sich um eine reine Auslandsorganisation […]. Der Beschwerdeführer wirbt in Österreich um Mitglieder für diese Organisation.

 

[…] Zur Situation im Herkunftsland:

 

[…] Eine nach außen wirksame politische Betätigung, die erkennbar den Sturz des Regimes oder des islamischen Systems zum Ziel hat, wird mit strafrechtlichen Maßnahmen strikt verfolgt.

 

Als Begründung für strafrechtliche Maßnahmen werden dabei herangezogen die Artikel 183 bis 196 StGB betreffend die Bestrafung wegen „Feindschaft gegen Gott“ („Mohareb“) und „Korruption (Verderben schaffen) auf Erden“ („Mofzed bil Arz“).

 

[…] Gemäß Artikel 190 StGB werden „Feinde Gottes“ oder Personen, die sich der „Korruption auf Erden“ schuldig gemacht haben, mit Körperstrafe oder dem Tod bestraft. Auch einige unter den Begriff der „Staatsschutzdelikte“ zu subsumierende Artikel, die im Zuge der Taazirat-Reform 1996 in das StGB eingefügt wurden (insbes. Art 498 – 515) sehen z. T. harte Strafen für gegen das Regime gerichtete Aktivitäten vor, die Vorliegen der genannten Erschwerungsgründe („Mofzed bil Arz“ oder „Mohareb“) bis zur Todesstrafe gehen können.

 

[…] Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran schließen in einzelnen Fällen seelische Folterung und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung ein.

 

[…] 2008 wurden bereits mehr als 300 öffentliche Hinrichtungen in Teheran vollzogen.

 

[…] Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Iran allen oppositionellen Gruppierungen im Exil […] Beachtung schenkt. […] Die Beobachtung der SPI durch den iranischen Nachrichtendienst wird sich vermutlich auf Mitglieder beschränken, die eine exponierte Position innerhalb der Organisation einnehmen.

 

[…] Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft:

 

[…] Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“.

 

[…] Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzuwenden, wenn solche Handlungen zu befürchten sind […].

 

[…] Der Verwaltungsgerichtshof hat, unter Bezugnahme auf internationale Judikatur, die Form der „stellvertretenden“ Anspruchnahme für ein Familienmitglied, dem Modell des „Durchschlagen“ der Verfolgung eines Angehörigen auf den Asylwerber zugeordnet und die Asylrelevanz aus dem Verfolgungsgrund der „sozialen Gruppe“ abgeleitet […].

 

Nach den getroffenen Feststellungen droht dem Beschwerdeführer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche stellvertretende Verfolgung, dies im Hinblick auf die exponierte politische Tätigkeit seiner Mutter in der Bundesrepublik Deutschland, verbunden mit seinen eigenen, wenn auch nicht so öffentlichkeitswirksamen Tätigkeiten für die selbe Partei und steht zu befürchten, dass […] angesichts des bestehenden […] Verfolgungsinteresse der iranischen Behörden, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit  politische Verfolgung im Iran droht […].

 

[…] Weiters wird […] darauf hingewiesen, dass verwandtschaftliche Beziehung eine Gefährdung für iranische Asylantragsteller bedeuten, wenn es sich um Beziehungen zu[…] oppositionspolitisch aktiven Personen handelt, die entweder im Iran oder im Exil gegen das Regime tätig sind […], sodass objektiv nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt [ist], sich des Schutzes seine Herkunftsstaates zu bedienen […].

 

OÖ1