HomeArchiv Rechtsprechung → Keine ausreichende Begründung der Entscheidung des Asylgerichtshofes

VfGH - 13.03.2013 - U2313/12
Thema / LandVerfahrensrecht, Pakistan
BeschreibungAufhebung einer Entscheidung des AsylGH wegen Willkür. Bloße Verweise auf die Feststellungen erstinstanzlicher Behörden bzw. auf andere Entscheidungen (des AsylGH) und die dort verwendeten, mittlerweile veralteten Länderberichte, genügen grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht.

Spruch

I.          Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

[…]

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Beschwerdevorbringen

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15. September 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Verfahren vor dem Bundesasylamt gab er zu Protokoll, dass er pakistanischer Staatsangehöriger sei […]

2.  Mit Bescheid vom 8. Juli 2010 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Staatsgebiet nach Pakistan aus. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Asylgerichtshof. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2012 hielt dieser das Vorbringen des Beschwerdeführers für nicht glaubwürdig, verwies hinsichtlich der Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auf die Feststellungen des Bundesasylamtes bzw. auf eine ältere Entscheidung des Asylgerichtshofes in einer anderen Rechtssache und wies die Anträge des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von internationalem Schutz mit Entscheidung vom 12. September 2012 ab und den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan aus.

3. Gegen diese Entscheidung des Asylgerichtshofes richtet sich die auf Art144a B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

[…]

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat [...] erwogen:

[…]

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Ver­fassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Er­mittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unter­lassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivor­bringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem Asylgerichtshof hier vorzuwerfen:

2.1. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat führt der Asylgerichtshof wörtlich aus:

"Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan wird auf die Feststellungen der belangten Behörde bzw. des ho. Gerichts im Erk. vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 verwiesen."

Hinsichtlich der in den Erwägungen der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Aussagen des Asylgerichtshofes zur Lage in Pakistan (...) ist festzustellen, dass es sich hiebei offensichtlich um Textbausteine handelt, die gleichlautend der Entscheidung in einer – nicht den Beschwerdeführer betreffenden – älteren Rechtssache entnommen wurden (...), in der ihrerseits auf frühere Judikate und deren Länderfeststellungen verwiesen wird; daraus folgt, dass der Asylgerichtshof Quellen für den "Länderbericht" verwendete, die im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits mehrere Jahre alt waren (..).

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat überdies bereits in VfSlg 18.614/2008 festgestellt, dass es "grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Ent­scheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichts [wider­spricht], wenn sich der Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammen­schau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpfte Ent­scheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Ent­scheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den VfGH möglich ist (vgl. VfSlg 17.901/2006, 18.000/2006)".

2.3. Weiters judizierte der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 9293/81, dass es im Lichte des Art7 B-VG unzulässig ist, wenn eine Behörde ihre Entscheidung nur dadurch begründet, dass sie auf die Begründung einer anderen Entscheidung verweist, insb. dann, wenn jene der gegenständlichen Entscheidung nicht beigelegt wird und auch nicht auf anderem Wege an den Beschwerdeführer ergangen ist. Dem bloßen Verweis auf eine andere Entscheidung kommt jedenfalls kein Begründungswert zu.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Asylgerichtshof hat es daher verabsäumt, die Entscheidung in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise zu begründen, weshalb die angefochtene Entscheidung schon deshalb aufzuheben war.

[…]